Die aktuelle Krise reißt wie in das gesamte öffentliche Leben einen heftigen Einschnitt in das
studentische Leben. Zu betrachten sind aber beide Seiten der Medaille: auf der anderen Seite
steht die Krise als Phase der Veränderung – voller Chancen.
Seit den ersten Beschränkungen im März 2020 hat die Corona-Krise den Betrieb an der
Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität wie an anderen Hochschulen und Universitäten fest
im Griff. Fast alle Vorlesungen und sonstigen Veranstaltungen finden online statt, Lizenzen für
digitale Bibliotheken sind häufig beschränkt und Praktika fallen aus.
Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verloren alleine von März bis April in Deutschland 750.000 Studentinnen und Studenten ihre Jobs und damit statistisch gesehen eine Einnahmequelle von hoher Bedeutung.
Besonders schmerzlich wird wie in vielen anderen Lebensbereichen deutlich, dass auch das Studium vom persönlichen Kontakt, Diskussionen und Spontanität lebt. Positiv ist hervorzuheben, dass überhaupt digital gearbeitet wird. Soweit möglich, ist das Arbeiten im „Homeoffice“ auch im Rest der Gesellschaft neu etabliert, jedenfalls vorübergehend Normalzustand geworden. Das Studieren von zuhause bringt Dynamik in viele angerissene, aber an der Universität längst nicht abgeschlossene Prozesse.
Zu wünschen ist, dass die digitale Infrastruktur nachhaltig ausgebaut wird. Keineswegs darf die Lehre rein digital bleiben: der persönliche Austausch vor Ort, die Teilnahme an studentischen Aktivitäten und für viele junge Studentinnen und Studenten die Übergangsphase in ein selbstbestimmtes Leben sind ein wichtiger Bestandteil eines Studiums als Lebensabschnitt. Aber der Digitalisierungsschub war längst überfällig und ist erforderlich, um Studentinnen und Studenten auf das ortsverteilte Arbeiten des 21. Jahrhunderts und die digitale Kommunikation in Unternehmen vorzubereiten.
Um in die Zukunft nach Corona zu gehen, sind fundierte Auswertungen der durch Corona bedingten Veränderungen erforderlich. Wie hat sich das Studium verändert und welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die Studentinnen und Studenten? Vielleicht gibt es in der Zukunft Lehrveranstaltungen, für deren Durchführung eine Präsenz nicht immer erforderlich ist. Hybride Lösungen können auch in Zukunft Chancen bieten: ein Studium mit Kind wird ermöglicht, andere Barrieren werden abgebaut. Auch für alle anderen, die auf eine hohe Flexibilität angewiesen sind, bieten aktuelle Anpassungen eine Chance. Das Studium kann individueller und anpassungsfähiger werden als je zuvor. Studiengänge könnten in Teilen standortunabhängig durchgeführt werden, die internationale Vernetzung so gestärkt werden.
In einem unter hohem Druck stehenden Europa wäre das ein Interrail ohne Schienen. Corona gibt uns eine Gelegenheit, Bestehendes zu evaluieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Oder mit J. F. Kennedy: „Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen: das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. In einer Krise sei dir der Gefahr bewusst, aber erkenne die Gelegenheit.“