für die Menschen in Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und die Nachbarn an Rhein, Ahr und Erft

18. April 2020

Die Corona-Krise erfasst immer mehr Handwerksbetriebe in der Region. Mittlerweile ist nahezu jeder Betrieb von den Auswirkungen betroffen.
Aktuell ist kommunale Entschlossenheit gefordert: Das Handwerk in der Region braucht jetzt Aufträge!   Die Auswirkungen der Corona-Krise erfassen das Handwerk weiter mit voller Wucht. Machen wir uns nichts vor: Existenzen hängen am seidenen Faden. Trotzdem stecken die Betriebe den Kopf nicht in den Sand und zeigen in der Krise, dass sie auch unter er-schweren Bedingungen viele Wünsche erfüllen können. Um diesen Wünschen nachzukommen, braucht das Handwerk aber eben auch Kundinnen und Kunden!   Mein Appell richtet sich vor allem an die Kommunen: Wir dürfen nicht darauf warten, dass es vorbei ist. Habt Mut zur Entschlossenheit. Habt Mut zur Auftragsvergabe. Verfallt nicht in Schockstarre! Es gibt genug zu tun! Das Handwerk in der Region braucht jetzt Aufträge!   Ich denke dabei vor allem an Gebäude in kommunaler Trägerschaft, wie zum Beispiel Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder, Sporthallen und Verwaltungsgebäude, die jetzt – bei verordnetem Leerstand – renoviert oder saniert werden können. Aktuell sind von den Regierungen in Land und Bund sowie sogar von der EU die engen Regulierungen bei öffentlichen Vergaben gelockert worden. Folglich können sehr viel häufiger und kurzfristiger Direktvergaben an Unternehmen erfolgen.   Die bestehenden Rahmenverträge mit Betrieben könnten in der Auftragssumme angehoben werden, in Köln beispielsweise von 5.000€ auf 20.000€. Und nicht zuletzt ist es wichtig, dass das Zahlungsziel, also der Termin zur Begleichung der Rechnung, von aktuell durchschnittlich 30 Tagen deutlich reduziert wird. Unstrittige Rechnungen müssen umgehend bezahlt werden.   Kommunen könnten die Auftragsvergabe durch private Investoren auch dadurch beschleunigen, dass Baugenehmigungen oder andere Bescheide zügiger erteilt werden. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin in den Verwaltungen trägt Verantwortung dafür, Arbeitsplätze  in der Region zu halten oder sogar neue zu schaffen als Ausgleich für andere, die wegfallen, zum Beispiel durch wegbrechende Exporte von Kraftfahrzeugen.

Foto © ZDH/Schüring

In unserem Interview erläutert Timo Müller, wie er mit der Situation nach der Schließung des Tanzhaus Bonn umgeht.

In unserem Interview erläutert Timo Müller, wie er mit der Situation nach der Schließung des Tanzhaus Bonn umgeht.

1. Welche Einschränkungen erleben Sie durch die Corona-Krise?

Unsere Branche gehört zu denen, die wahrscheinlich mit am stärksten betroffen sind, da wir unseren Betrieb von einem Tag auf den anderen einstellen mussten. Wir betreiben ja die Tanzschul- und Eventlocation „Tanzhaus Bonn“, das Restaurant „Traubenwirt“ und die Eventlocation mit Gästezimmern „Villa Waldesruh“. Alle drei Betriebe mussten schließen.


2. Finden Sie noch Möglichkeiten, die Tanzpaare weiter zu unterrichten?

Innerhalb von wenigen Stunden konnten wir zumindest viele Kursinhalte auf Video aufnehmen und online stellen. Diese sogenannten „Choreothek“ ist per Log-In nur für unsere Mitglieder zugänglich und sie können dort verschiedenes nachtanzen. Da wir sehr hohe Ansprüche an unseren Unterricht stellen, würden wir hier nicht unbedingt davon sprechen, dass wir die Tanzpaare dadurch unterrichten, dazu fehlt einfach die persönliche Betreuung und der Kontakt. Aber es ist zumindest ein Tropfen auf dem heißen Stein und unsere Gäste kommen nicht ganz „aus dem Takt“. Darüber hinaus konnten wir mehrfach live ins Wohnzimmer unterrichten – Zumba®Fitness und Kindertanz – und somit ein wenig Abwechslung in den eingeschränkten Alltag bringen.


3. Erleben Sie in letzter Zeit auch Positives? (Also im Sinne, haben die Tanzpaare kreative Ideen, wie sie auch weiter tanzen z. B.)

Ja, sogar viel mehr, als wir es uns vorstellen konnten. In dem Moment, als der Beschluss uns erreichte, wir müssten ab morgen den Betrieb einstellen, waren wir voller Sorge über die Reaktion unserer Mitglieder – obwohl uns ja gar keine Schuld an der Situation trifft. Es kam jedoch von Anfang an fast nur positives Feedback, man kann von ungefähr 98 % sprechen. Sehr viele Menschen hatten liebe und mutmachende Worte für uns und haben die Solidarität bekundet. Ständig erreichen uns Bilder und Videos von tanzenden Menschen im Wohnzimmer, da die Choreothek sehr gut ankommt. Es sind im Übrigen nicht nur Tanzpaare, sondern auch viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene auch im Solotanz-Bereich.


4. Was nervt Sie zurzeit am meisten an der Corona-Krise?

Die Unsicherheit, ab wann alles wieder beim Alten ist und die Existenzängste, die wir durch die Schließung aller Location erfahren müssen, ist extrem belastend. Gleichzeitig ist uns aber der Ernst der Lage vollkommen bewusst und jeder Mensch, der ernsthafte Folgen einer Erkrankung davonträgt oder gar sein Leben lassen muss, ist einer zuviel. Die Maßnahmen müssen sein, daher sind wir gar nicht genervt – aber besorgt!


5. Haben Sie einen Tipp, wie man seine Freizeit jetzt am besten verbringen kann?

Zum Glück beschert uns der Wetterfrosch größtenteils mit Sonnenschein. Also – gehen Sie Sonne tanken, holen Sie sich etwas zu Essen und Trinken „auf die Hand“ und unterstützen damit die Gastronomie und machen Sie zwischendurch Ihr Wohnzimmer zur Tanzfläche!


6. Was werden Sie als erstes machen, wenn die Corona-Krise vorbei ist?

Im Tanzhaus werden wir die gemeinsam überstandene Krise feiern – wie genau, wird eine Überraschung sein. Privat wahrscheinlich mal so richtig schön essen gehen und mit Freunden verabreden. Das klingt zugegebenermaßen irgendwie unspektakulär, was uns zeigt, dass viele unserer Freiheiten nicht selbstverständlich sind.

Restaurants haben auf Lieferdienst und Abholung umgestellt, Einzelhändler das Internet stärker entdeckt. Home Office ist angesagt, Prozesse werden digitalisiert.
Wirtschaftlich hat die #Coronakrise längst fast alle Branchen erfasst. Messebetrieb und Tourismus sind komplett zum Stillstand gekommen. Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie sind ebenso stark betroffen wie Dienstleistungen aller Art. In der Industrie brechen Aufträge und Lieferketten weg. Im Vergleich zur Finanzkrise trifft es jetzt mit voller Wucht die Realwirtschaft. Unsere Innenstädte sind zur Zeit öde und trist und es ist zu befürchten, dass die großen Online-Kraken weiter an Marktmacht gewinnen werden. Wir alle können das ändern, in #Bonn sind diverse Initiativen zur Stärkung des lokalen Handels, der Gastronomie und der Nachbarschaft entstanden, die dank des Internets auf große Resonanz treffen. Weiter so! Support Your Local Business – Bonn Bleib Stark – Kauf vor Ort.
Politik und Verwaltung, Bund, Land und Kommunen schnüren Hilfen, Pakete, Programme, um mit direkten Zuschüssen, Liquiditätshilfen oder Steuererleichterungen und -stundungen das Schlimmste zu verhindern. Die Ausweitung des #Kurzarbeitergelds soll Beschäftigung langfristig sichern. #Soforthilfen sollen kleine Unternehmen stützen und retten. Ich finde, hier wird in einer außergewöhnlichen Situation, für die keine Blaupause existiert, tolle Arbeit geleistet. Ich nehme aber zugleich wahr, dass nach nur einer Woche Kontaktverbot das Mosern wieder zunimmt. Kleinteilig hier noch eine Forderung und da noch eine Kritik, statt das große Ganze erst einmal wirken zu lassen. Von rechten Verschwörungstheoretikern ganz zu schweigen…
Die Wirtschaft wird nach #Corona auf jeden Fall eine andere sein, auch wenn wir alle hoffen, dass auf einen starken Abschwung ein ebenso starker Aufschwung folgen möge. Positiv sind die Hilfsbereitschaft und das Engagement vieler Unternehmen in der Krise heraus zu stellen – oft auch direkt und solidarisch vor Ort. Kreativ haben etwa viele Restaurants auf Lieferdienst und Abholung umgestellt; viele Einzelhändler das Internet stärker entdeckt. Home Office ist in zahlreichen Unternehmen angesagt, Prozesse wurden und werden gezwungenermaßen digitalisiert. Präsenzpflicht ist nicht mehr so wichtig – gut so. Das alles wird bleiben und sich sicher noch verstärken. Dass einzelne Großunternehmen wie adidas kreativ die Gesetze zu ihren Gunsten gegen alle Gemeinschaft und Solidarität interpretieren, war leider auch zu erwarten.
Doch wir müssen auch einige Auswirkungen der #Globalisierung hinterfragen: Muss unser Gesundheitssystem (oder ist es eher ein Krankheitssystem) weiter auf Effizienz getrimmt werden? Werden Kranken- und Altenpfler/innen oder die Kassierer/innen im Lebensmittel-Einzelhandel gerecht bezahlt? Müssen Medikamente in China billiger produziert werden? Müssen Nordsee-Krabben in Marokko gepult werden? Müssen wir Produktionen ins Ausland verlagern und wundern uns jetzt, dass der Nachschub nicht bei uns ankommt? Tun es auch heimische Lebensmittel, Obst und Gemüse? Muss der Verbraucher auch weiter auf “Geiz ist geil” setzen oder sind im Gegensatz dazu dann höhere Lebensmittel- oder Restaurantpreise bei heimischer Produktion notwendig? Wie teuer darf das faire T-Shirt sein? Hier könnte #Europa mit seinem gemeinsamen Wertesystem Kontrapunkte zu den USA und China setzen, die soziale Marktwirtschaft mit der Ökologie versöhnen.
Wir alle sollten in dieser Situation inne halten und gemeinsam darüber nachdenken, wie #Wirtschaft den Menschen und unserem Planeten dienen kann. Sonst werden wir aus der #Coronakrise nichts lernen und beim nächsten Virus noch schlimmer dran sein.

„Nicht jammern, sondern anpacken“, Bericht über Buchvorstellung + Diskussion am 3. 12. 2019 in Bonn „Alternativlos? 50 Fakten für solidere Politik“ von Hans-Peter Kosmider,

„Nicht jammern, sondern anpacken“, Bericht über Buchvorstellung + Diskussion am 3. 12. 2019 in Bonn „Alternativlos? 50 Fakten für solidere Politik“ von Hans-Peter Kosmider, Münster 2019

Am 3. Dezember 2019 hat der Autor Hans-Peter Kosmider sein Buch „Alternativlos? 50 Fakten für solidere Politik“, in Bonn im Kirchenpavillon am Kaiserplatz vorgestellt. Das Buch ist aus der Initiative in Münster „Mehr Mut zur Tat“ www.mehrmutzurtat.de heraus entstanden. Das „Politische Forum Mehr Mut zur Tat“ hat sich vorgenommen, eine breite gesellschaftliche Diskussion anzustoßen und mit Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Es will erreichen, dass auch in anderen Städten diese Initiative aufgegriffen wird. Der Autor weist auf die Fakten in verschiedenen Politikfeldern hin, damit diese Grundlage für Sachlösungen bilden. Häufig werden in Deutschland Lösungen diskutiert, die der öffentlichen Debatte folgen, aber nicht auf Fakten beruhen und dann zu volkswirtschaftlich falschen Entscheidungen führen.

Hans-Peter Kosmider stellte in einem kurzen Bericht eine kleine Auswahl seiner Recherche-Ergebnisse vor:

  • Er belegte den wachsenden Wohlstand anhand der Entwicklung des Brutto-Inlandsprodukts seit 1955, und der durchschnittlichen Größe des Wohnraums pro Person,
  • aber rückläufige Investitionen in Bildung, Anlagen, Gebäude und Ausrüstungen
  • mit der Konsequenz des Rückgangs der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands (beim “World Competetive Index” des IMD, bei den Fähigkeiten der Schüler in Rechtschreibung, Zuhören und Mathematik),
  • die zunehmende Komplexität und Dauer von Genehmigungsverfahren, die wegen der fehlenden Leitungen sogar das unstreitige Ziel der Durchleitung von Windstrom von Nord nach Süd erschweren,
  • die Ausweitung des Sozialbudgets auf das 12-fache seit 1960 bei lediglich einer Verdoppelung der öffentlichen Bau-Investitionen
  • den Anstieg der Lebenserwartung und der Rentenbezugsdauern, die rechnerisch eine Rente mit 72 erfordern
  • den deutlichen Rückgang der Stickoxid-Emissionen von Diesel-PKW und -LKW.

Er beendete den Vortrag mit einem Zitat aus der „Ruckrede“ von Roman Herzog von 1997:

“Es ist ja nicht so, als ob wir nicht wüssten, dass wir Wirtschaft und Gesellschaft dringend modernisieren müssen. Trotzdem geht es nur mit quälender Langsamkeit voran. Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen. Ich behaupte: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.”

Im anschließenden Gespräch mit Dr. Hans Reckers, ehemaligem Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank, meinte Kosmider, dass wir angesichts der geschilderten Situation nicht von einem Staatsversagen sprechen müssten. Er stimmte Reckers zu, dass im Dreieck Bürger/Medien/Politik alle für die kritisierten Entwicklungen verantwortlich seien. Die Bürger sollten selbst auf die Politiker zugehen und mutigere Entscheidungen auf Basis der Fakten einfordern. Das ehrenamtliche Engagement der Bürger, auch der jungen Menschen, sei erfreulich. Auch durch entsprechende Focussierung durch die Medien stünden aber Partikular-Interessen mehr im Vordergrund als das Gemeinwohl. Das beeinflusse die Politik, die den Bürgern zu wenig den Blick auf das Ganze und die Handlungsnotwendigkeiten vermittele.

Fehlendes Lobbying für das Gemeinwohl und mangelnder Blick aufs Ganze war dann auch die vom Publikum in der Diskussion unterstützte Analyse mit breiter Zustimmung. Eine Ursache wurde dabei auch in der Berichterstattung der Medien gesehen, die vorzugsweise gegensätzliche Standpunkte vorstellen und so den Rändern mehr Platz einräumen, statt die Mitte zu stärken.